
Berührt bis zuletzt🙏
- Anja
- 4. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Berührt bis zuletzt, über den Tod, den Glauben und das Gehaltenwerden
Es gibt Geschichten, die bleiben im Körper. Nicht nur im Kopf, nicht nur im Herzen, sondern tief in der Haut, im Nervensystem, in den feinen Geweben unserer Wahrnehmung. Eine dieser Geschichten ist die von Philipp Mickenbecker, dem jungen Mann hinter dem YouTube-Kanal The Real Life Guys.
Er war keine klassische „öffentliche Person“ im Sinne der glatten Selbstvermarktung. Philipp war echt. Kreativ. Gläubig. Krank. Und unendlich mutig. In der Dokumentation, die sein Sterben begleitete, wurde nichts beschönigt. Kein Make-up, kein falscher Trost. Und doch war da so viel Licht. So viel Wärme. So viel Halt.
Ich habe mehrere dieser Sendungen gesehen. Ich war und bin, tief berührt. Es war nicht nur sein Glaube, der ihn getragen hat. Es waren seine Freunde. Die mit ihm gebastelt, gebetet, gelacht, geweint haben. Die ihn gepflegt, gehalten, begleitet haben. Eine Gemeinschaft, wie sie in unserer Gesellschaft selten geworden ist. Und ein Filmemacher, der mit der Kamera nicht gestört, sondern getragen hat. Der gezeigt hat, was wir sonst nicht sehen wollen. Der Tod ist keine private Tragödie. Er ist Teil unseres Menschseins. Und er will gesehen werden.
Und ja, auch ich hatte Glück in meinem Leben.🙏
Ich selbst bin von schweren Krankheiten bisher verschont geblieben. Ich klopfe gedanklich auf Holz, denn ich weiß, wie zerbrechlich das alles ist. Und doch: Auch in meinem Leben sind Menschen viel zu früh gegangen. Wenn man das überhaupt so sagen darf, zu früh. Gibt es überhaupt ein zu früh oder zu spät?
Mein Schwager, Vater von zwei kleinen Kindern, starb mit nur 39 Jahren an einem Hirntumor. Meine Schwester war völlig überfordert. Wie sollte sie auch vorbereitet sein? Es war ihre große Liebe. Und er war nicht mehr er selbst in den letzten Wochen. In einer Nacht stand er, barfuß, auf dem Balkon, orientierungslos, sehnsuchtsvoll. Diese Bilder brennen sich ein. Auch in mir.
Und auch mein Vater ging viel zu früh, an Darmkrebs. Zwei Jahre vor der Pension. Das Haus war abbezahlt. Er hatte sich auf den Ruhestand gefreut. Auf das Motorrad. Auf das einfache Leben. Er war ein stiller Mensch. Wie ich. Keine Menschenmassen, kein Lärm. Ruhe. Rückzug. Und der Wunsch, einfach da zu sein, ohne großes Spektakel.
Wir spielen oft Rollen, besonders, wenn es ernst wird.
Als Kinder waren wir ehrlich. Unverblümt. Wenn etwas nicht schmeckte, schoben wir den Teller weg. Heute lächeln wir höflich, schlucken, schweigen. Doch in Wahrheit wissen wir: Wir haben Angst. Wir fühlen. Wir brauchen Nähe. Und wir sehnen uns danach, gehalten zu werden.
In meiner Arbeit als Tantra-Masseurin, Körpertherapeutin und Resilienztrainerin sehe ich es immer wieder: Menschen, die mitten im Leben stehen, aber innerlich zerbrechen, weil sie nie gelernt haben, über Verlust zu sprechen. Über Trauer. Über das Ende.
Berührung als letzter Anker
Es gibt Dinge, die keine Worte brauchen. Eine achtsame Berührung kann mehr Trost schenken als tausend kluge Sätze. Wenn der Tod naht, sei es konkret oder symbolisch, brauchen wir keine Ratschläge. Wir brauchen Präsenz. Wärme. Eine Hand, die nicht fragt, sondern hält.
Philipp hat das gespürt. Und vielleicht war genau das sein größtes Geschenk an uns alle: Uns zu zeigen, dass wir den Tod nicht fürchten müssen, wenn wir uns verbunden fühlen. Wenn wir wissen: Ich bin nicht allein.
Ein Plädoyer für Wahrheit, Nähe und Aufklärung
Diese Dokumentation hat mich tief bewegt. Weil sie ehrlich war. Weil sie mutig war. Und weil sie nicht nur Philipp gezeigt hat, sondern auch seine Freunde, seine Familie, seine Zerbrechlichkeit und seine Stärke.
Ich wünsche mir mehr davon. Für unsere Jugend. Für die Erwachsenen. Für uns alle.
Ich wünsche mir, dass wir aufhören, den Tod zu tabuisieren. Dass wir wieder lernen, zu trauern. Uns zu halten. Uns zu sagen: Ich habe Angst. Oder: Ich vermisse dich.
Und ich wünsche mir, dass wir den Wert von Berührung erkennen, nicht als Luxus, sondern als Medizin. Nicht nur am Ende. Sondern jeden Tag.
Mit Liebe,
Anja
Hab ich auch verfolgt, dass waren super tolle Zwillingsbrüder, wobei Johannes ja noch da ist und die Schwester von den beiden ja auch beim Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist 😥 tragische Geschichte. Danke Anja, dass du das hier mit uns teilst🙏❣️