Nähe & Grenzen: Ein Interview über meine Arbeit

Anja, was genau sind Tantra-Massagen?

Tantra-Massagen sind sinnlich, intim und zutiefst menschlich, sie sind ergebnisoffen, das heißt, es geht nicht darum, einen Orgasmus zu erzeugen oder sexuelle Wünsche zu erfüllen, ich begleite Menschen in einen Zustand, in dem sie sich wieder spüren können, manche tragen Verletzungen in sich, emotionale oder sexuelle Traumata, andere sehnen sich einfach nach echter Berührung, Tantra ist kein Automatismus, keine Technik mit Versprechen, sondern ein Raum, ein Raum, in dem nichts muss, aber alles darf.

Wer kommt zu dir, eher Männer oder Frauen?

Etwa achtzig Prozent meiner Gäste sind Männer, zwanzig Prozent Frauen, Männer sind oft mutiger, entschlossener, Frauen brauchen mehr Zeit, mehr Vertrauen, das ist kein Vorwurf, sondern eine Beobachtung, wenn Frauen sich öffnen, dann mit sehr viel Tiefe und Feingefühl und das ist wunderschön.

Kommen manche Gäste mit der Erwartung, einen Orgasmus zu erleben?

Ja, vor allem Männer, ich sage dann sehr klar, ich bin keine Zauberin und keine Fachkraft für Ejakulation, ob ein Orgasmus entsteht, liegt nicht in meiner Hand, sondern in der Präsenz des Empfängers, es gibt Gäste, die erleben einen sogenannten dry orgasm, eine energetische Entladung, die durch den ganzen Körper geht, andere spüren nur Wärme oder Erregung, und manche entspannen einfach tief, aber ich biete keine Happy-End-Garantie, wer das erwartet, ist bei mir falsch.

Du arbeitest mit dem Intimbereich, wirst du deshalb als Prostituierte eingestuft?

Leider ja, in Österreich werde ich juristisch in die Kategorie der Sexualdienstleisterinnen eingeordnet, und das, obwohl ich keine Sexualität verkaufe, ich berühre Menschen, ja, ich arbeite mit Intimität, mit Nähe, mit dem Körper, aber ich biete keine Penetration, keine sexuelle Dienstleistung im klassischen Sinn, trotzdem darf ich nicht in einem neutralen Praxisraum arbeiten, ich muss auf einem Grundstück tätig sein, das als Erotikbetrieb gilt, das ist gesetzlich so geregelt, auch wenn es meiner Tätigkeit nicht gerecht wird.

Wie viele Massagen gibst du an einem Tag?

Das hängt stark von der Energie der Begegnung ab, eine zweistündige Massage kann mich vollkommen fordern, wenn sie emotional oder energetisch intensiv ist, manchmal spürt man, dass die Chemie nicht stimmt oder dass der Gast sehr im Kopf ist, dann ist es anstrengender als körperlich harte Arbeit, wenn die Resonanz stimmt, wenn die Verbindung fließt, dann kann ich auch zwei Sessions am Tag geben, aber ich höre auf meinen Körper und überarbeite mich nicht.

Was kosten deine Massagen?

Meine Preise orientieren sich nicht an der Zeit, sondern an der Qualität, für manche wirken sie hoch, andere sagen, sie seien mehr als fair, ich ziehe gern den Vergleich zur gehobenen Gastronomie, wenn man ein Essen bekommt, das mit Liebe zubereitet, stilvoll serviert und mit Achtsamkeit begleitet wird, zahlt man gerne, so ist es auch bei mir, ich arbeite nicht billig, aber mit Herz, Verantwortung und Würde, und das hat seinen Preis.

Gab es auch schon unangenehme Begegnungen mit Gästen?

Oh ja, eine ist mir besonders in Erinnerung geblieben, und sie hat mein ganzes Buchungssystem verändert, damals nahm ich noch Termine per WhatsApp an, ein Mann schrieb mir übertrieben freundlich, mit Kuss-Emojis und dieser unangenehmen Vertrautheit, die sofort Grenzen verletzt, ich war höflich, aber innerlich schon auf Abstand, trotzdem bereitete ich alles wie immer vor, frische Wäsche, geduscht, geheizt, liebevoller Raum, er kam pünktlich, ein Mann um die dreißig, groß, lässig, kaum sah er mich, sagte er, sorry, du bist nicht mein Typ, du siehst anders aus als auf dem Foto, ich war irritiert, fragte ihn, ob er wegen meines Aussehens gekommen sei oder weil er eine professionelle Massage wollte, er meinte, er gehe jetzt, ich sagte ruhig, dass ich ihm die Ausfallentschädigung senden werde, schließlich habe ich Zeit, Energie und Ressourcen investiert, er klopfte noch mal an die Tür, sagte, ich bin ja nicht verpflichtet, oder, ich antwortete, doch, sind Sie, gemäß meiner AGB, dann sagte er, na gut, dann bleibe ich halt, und genau in dem Moment wusste ich, das wird keine schöne Begegnung, ich massierte ihn professionell, aber innerlich war ich auf Distanz, er war angespannt, widersprüchlich, kämpfte mit sich selbst, danach ging er ohne ein Wort, seitdem gilt bei mir, wer mich als Projektionsfläche benutzt oder sich über Äußerlichkeiten definiert, ist bei mir fehl am Platz, ich bin keine Dating-App, keine Wunschfigur, ich bin eine Frau mit Haltung, und ich bin eine Körpertherapeutin.

Wie gehst du mit gesundheitlichen Risiken um?

Ich bin sehr achtsam, ich mache regelmäßig medizinische Untersuchungen, alle fünf Wochen einen Abstrich, alle acht Wochen Bluttests, einmal im Jahr ein Röntgen, ich frage im Vorgespräch nach Wunden, Infektionen, Hautveränderungen, Gäste mit frischen Verletzungen oder Verbänden werden abgewiesen, mit voller Kostenpflicht, ich übernehme Verantwortung, für mich und für meine Gäste, aber ich bin kein paranoider Mensch, ich arbeite mit Achtsamkeit, nicht mit Angst.

Warum arbeitest du auf einem Grundstück, das auch erotische Dienstleistungen anbietet?

Weil ich es rechtlich muss, wenn es nach mir ginge, würde ich in einem eleganten Loft arbeiten oder in einem Haus mit Garten, in dem ich auch Outdoor-Massagen geben kann, aber das ist in Österreich nicht erlaubt, ich darf nicht einfach als Tantra-Masseurin in einer Privatwohnung arbeiten, ich musste mein geliebtes Studio in der Wiener Straße nach über zehn Jahren aufgeben, weil das Gesetz sich verschärft hat, heute arbeite ich auf einem Grundstück, das offiziell als Erotikbetrieb geführt wird, dort habe ich meine eigene Lounge, meinen Raum, meine Integrität, ich arbeite mit Frauen, nicht mit Machos, ich habe keine Chefs mit Goldkette, sondern Kolleginnen auf Augenhöhe, natürlich ist nicht jeder Tag einfach, ich bin Deutsche, ich liebe Ordnung, Ruhe, Struktur, und manchmal muss ich mich mit anderen Arbeitsweisen arrangieren, aber ich weiß, wer ich bin, und ich weiß, was ich tue, und ich tue es mit Würde.

Dürfen Gäste dich während der Massage berühren – oder machst du mehr wie Geschlechtsverkehr oder so?

Absolut nicht, keine Massage wäre angenehm, wenn du ständig in jeder Bewegung berührt wirst oder im Austausch wärst, stell dir das so vor, du kannst nicht vorwärts und gleichzeitig rückwärts laufen, das funktioniert im Leben nicht, und genauso ist es bei der Entspannung, du kannst dich nicht entspannen, wenn du tausend Dinge nebenbei tust oder mit deinen Händen arbeitest, sobald du deinen Körper bewegst und in die Aktivrolle gehst, wird dein System nicht mehr in der Lage sein, in der empfangenden Rolle zu bleiben, genau dort, wo er dringend gebraucht wird, fühlen kommen ins Spiel, hineinspüren, atmen, wahrnehmen, das funktioniert nicht, wenn du gleichzeitig gibst, genauso ist es in Beziehungen, viele Frauen berichten mir, dass sie nur noch funktionalen Hausfrauensex erleben, Männer hingegen erzählen, dass sie sich überfordert fühlen, weil sie wissen, die Partnerin will jetzt Sex, obwohl sie selbst müde sind, der Kopf macht zu, die Energie blockiert, wenn der Kopf nicht abschalten kann, kann auch kein Fühlen entstehen, ich beantworte diese Frage mit einem klaren Nein, meine Gäste dürfen mich nicht berühren, und heute tut das auch niemand mehr, meine Gäste sind respektvoll, achtsam, aufmerksam, sollte doch mal jemand versuchen mich zu berühren, bitte ich ihn sofort das zu unterlassen, übergriffig wurde noch nie jemand, sollte das passieren, weiß ich, was ich zu tun habe, ich zeige die Tür, klar und bestimmt.